Die Rückkehr des Grossen

1. Das soziale Grosse, als Einleitung, und das Grosse an sich

Eines der grössten nicht gelösten Probleme der Philosophie ist, wie das Abstrakte in die Welt kam. Und diese Frage hat weitreichendste Konsequenzen.

Wie kann man von einem "Haus" sprechen, wenn es doch "das Haus" in der Welt gar nicht gibt. Es gibt nur so Gebilde, die dazu dienen, den Menschen von seiner Umgebung zu trennen, um ihn gewisse Dienste zu leisten, zum Beispiel Schutz vor Kälte. Und diese sehen immer wieder anders aus.

Nun, die Allgemeingebildeteren haben es erkannt. Es geht um das Universalienproblem, und die einen sagen, es gäbe das Abstrakte tatsächlich, die andern nennen es "bloss" das Resultat von Verstandestätigkeit.

Als ich meine Studienrichtung zu wählen hatte, fiel mit das nicht leicht. So schaute ich mir vermutlich alles an, was es damals an den Universitäten zu studieren gab. Und ich weiss noch genau, wie es mir bei den Rechtswissenschaften ging: Ich konnte mir aufgrund der Begriffe, die dort vorkommen, keine Vorstellung machen. Und ich nannte das: Es ist mir zu abstrakt.

Heute weiss ich, man kann das von mindestens zwei Seiten anschauen. Man kann vom Konkreten her schauen und dann verallgemeinern. Und man kann vom Astrakten ausgehen und, falls gewünscht, zum Konkreten schreiten.

Es gibt auch heute noch Gebiete, die ich als mir zu abstrakt bezeichnen muss. Vielleicht fehlt mir aber auch einfach der Grips dazu, eine Begabung. Und ich lerne am hier ausgebreiteten Beispiel von jemand anderem, der die verbale künstliche Intelligenz als ihm zu abstrakt bezeichnet, wie schwierig es für Menschen sein kann, mit anderen umzugehen, die etwas zu abstrakt finden, was für mich ganz normal ist. So konnte ich es, bevor ich die Erkenntnis hatte, die ich hier gerade beschrieb, mir nicht vorstellen, dass es da jemanden gibt, der sich intensiv durch Chatten mit verbaler künstlicher Intelligenz beschäftigt, und der nicht zur ja nicht teuren, aber deutlich leistungsfähigeren Bezahlversion gewechselt hat. Er schreibt im folgenden Austausch, die KI sei ihm zu abstrakt.

Kommt nun noch "das Negative" dazu, das irgendwie in die Welt gekommen ist, wird es noch schwieriger, weil man sich etwas nicht nur nicht vorstellen kann, sondern es einem auch noch schaden kann. "Vorsicht!", heisst es dann, und "Abstand! Hände weg!", bevor sie weg sind. Die Hände?

Dazu das Beispiel eines Stammtischkollegen, der es nicht lassen konnte, bei mindestens jedem zweiten Treffen ausgiebigst von seinem Weinberg zu erzählen. Es gibt tausend Details. Man kann die Rebe von links und von rechts anschauen und findet immer wieder etwas, was man noch nicht gesehen und beschrieben hat. Aber ist das relevant? Oder vielleicht eine Fortsetzung des Denkzwangs, unserer verlorenen Fähigkeit zur tiefen inneren Versenkung, samadhi, dem Empfangen von Information aus dem Unbewussten? Braucht es etwa gar keinen Wein, wenn wir jeden Moment die schamanische Ekstase wieder haben?

Nachdem dann auch noch in der Neuen Zürcher Zeitung bestätigt wurde, dass jedes Glas Wein schädlich ist, weil Alkohol ein Zellgift ist, und der pensionierte Sekundarlehrer immer noch weiter von seinem Weinberg schwärmte, wurde es mir zu viel und ich verliess diese Männergruppe.

Ein anderer verliess mich, weil ich ihn vor der Demenz warnte, die er sich durch seinen Beruf zuzog. Ein Profi-Kickboxer. Aber um sein Geld zu verdienen, hätte er keine Profi-Kämpfe mehr bestreiten müssen. Er ist auch Personal Trainer und es gibt einige Leute, die trainieren Kickboxen als Amateure, das heisst mit Helm und ohne KO-Schläge.

Bei einem W. schliesslich war es so, dass ich die Sado-Maso-Praktiken fälschlich als absolut negativ bewertete. Sie gelten seit ein paar Jahren aber ja auch nicht mehr als an sich krankhaft. Wichtig einfach: Sie müssen einvernehmlich stattfinden, es darf dabei niemand ernstlich zu Schaden kommen und man sollte damit, so die offizielle medizinsiche Erfordernis, zur Befriedigung kommen. Einziger Wermutstropfen für Ekstatiker: Es gibt eine statistische Korrelation mit dem Bedürfnis nach neuen und starken Reizen. Sucht aber konnte bereits nicht mehr nachgewiesen werden, und so muss ich sagen, es ist einfach individuell, so wie auch der eine auf diese und jene Frau steht, was sich ein anderer für sich überhaupt nicht vorstellen kann, und bei den Frauen ja auch.

Das Grosse ist etwas, was viel mit Respektieren des anderen zu tun hat, und mit Verzeihen von geschehenen Verletzungen, und insofern mit etwas Sozialem. Und das Grosse ist etwas, was der heutige Mensch nicht mehr als etwas Gesamtes erkennt, weil wir aus dem Paradies vertrieben wurden, wie es einige nennen, weil wir Sklaven einer Matrix geworden sind oder eines Systems, wie es andere nennen, und um dieses zu verlassen, muss man a) ganz einfach an einem unserer Trainings teilnehmen, oder b) durch Krankheit, Unfall oder besondere Elementarereignisse erschüttert werden, sodass die harte Schale des Ego zerspringt wie beim Ei auf dem Büchlein "Investition des Lebens". Man meint zu sterben, aber es ist der Übergang in eine grössere, wunderbare Welt, in welcher das Wachstum, von dem wir reden, die Zunahme von Fähigkeiten, nur stattfinden kann. Die Unio Mystica, die von einigen Systemen angeboten werden, etwa dem Zen, wenn man lange und sehr intensiv geübt hat, ist auch ein solches Elementarereignis, aber ein trügererisches, denn es verleitet die meisten, daran hängen zu bleiben, anstatt es als das zu erkennen, was es ist: bloss der Eintritt in diese neue Welt. Dabei seinen Charakter Schritt um Schritt auflösen und dabei jedes Mal neue Fähigkeiten erhalten. So geht es Schritt um Schritt nach oben. Das ist die Bedeutung der Kundalini, der sich nach oben windenden Schlange des Patanjali. Es geht nicht darum, Energie in seinem Körper nach oben zu winden, wie es die abgefallenen Kundalini-Richtungen praktizieren. Man muss SICH SELBER NACH OBEN TRANSFORMIEREN. Nein, so einfach wie die Übungen des Kundalini-Yoga ist das nicht. Und für diese Transformationsarbeit sind wir entweder auf den brutalen Weg durch die Natur angewiesen und werden dann zu Schamanen, oder wir haben das Glück, für diese schwierige Verwandlung eine Schamanin als Frau zu haben, oder wir begeben uns in ein Team. Es gibt keine andere Wege.

Das Grosse wird heute als etwas grosses Soziales wahrgenommen, und dabei ist es unerlässlich, über die üblichen Grenzen zu gehen. Man muss mutig sein. Wir machen nichts Kriminelles! Und von dem Moment an wird das Leben wieder spannend, ein Abenteuer, und wir haben keinen Bedarf mehr an (für uns schockierende) Ersatzbefriedigungen, Zucker, Alkohol, Drogen, Unterhaltungen und Zeitvertreib. Das Leben wird wesentlich.